Stabile Stromnetze für Afrika

Wie k?nnen wir nachhaltiger leben und die Zukunft auf unserem Planeten gemeinsam gestalten? Darum drehte sich vom 20. bis 26. September die sechste ?Europ?ische Nachhaltigkeitswoche“ (ENW). Beim Thema nachhaltiges Leben ist auch die Wissenschaft gefragt. In einem Special zur ENW stellen wir immer dienstags spannende Forschungsprojekte von Paderborner Forscher*innen vor, die sich mit einem Nachhaltigkeitsthema besch?ftigen.

Forscher*innen der Universit?t Paderborn entwickeln moderne Systeme zur unterbrechungsfreien Stromversorgung in l?ndlichen Regionen Afrikas – Intelligente ?Microgrids“ integrieren erneuerbare Energien und leisten einen wichtigen Beitrag zur regionalen Entwicklung

Fast neun von zehn Menschen weltweit haben heute Zugang zu Elektrizit?t. Dennoch leben im Zeitalter von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz immer noch 789 Millionen Menschen ohne Strom, wie aktuelle Zahlen der Vereinten Nationen belegen. Beinah 70 Prozent davon allein in Afrika südlich der Sahara. Das hemmt die Entwicklung: Die fehlende oder instabile Stromversorgung ist immer noch ein Haupthindernis dafür, dass sich die Lebensbedingungen in abgelegenen Regionen Afrikas verbessern k?nnen.

Um eine L?sung für das afrikanische Energieversorgungsproblem zu finden, arbeiten Wissenschaftler*innen der Universit?t Paderborn in einem interdisziplin?ren Team an einer l?nderübergreifenden Lehr-, Lern- und Forschungsplattform. ?Das Konzept eines ?Energiezugangs für alle? ist wichtig, m?chten wir eine nachhaltige Entwicklungshilfe leisten“, so der Projektkoordinator Prof. Dr.-Ing. Stefan Krauter von der Fakult?t für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik. ?Durch intelligent gesteuerte, lokale Stromnetze auf Basis von erneuerbaren Energiequellen wollen wir eine praxistaugliche und robuste Stromversorgung erm?glichen. Vor allem in l?ndlichen Gebieten ist das eine Voraussetzung dafür, dass die Menschen dort Zugang zu modernen Technologien und dem Internet erhalten.“ Das auf drei Jahre angelegte Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 2,3 Millionen Euro unterstützt. Projekttr?ger ist das Forschungszentrum Jülich GmbH.

Langfristiges Ziel der afrikanischen und deutschen Projektpartner*innen ist es, den Menschen vor Ort die eigenst?ndige und dauerhafte Nutzung des gemeinsam entwickelten Energiekonzepts zu erm?glichen. Dafür erarbeiten die Wissenschaftler*innen moderne Schulungsprogramme, durch die sie das erforderliche praxisrelevante Wissen an regionale Fachkr?fte und Bildungsinstitutionen weitergeben.

Entwicklung ben?tigt Energie

Bezahlbare, verl?ssliche und saubere Energie für alle – so lautet eines der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Prof. Dr.-Ing. Stefan Krauter, Lehrstuhlinhaber für ?Elektrische Energietechnik ? Nachhaltige Energiekonzepte“ an der Universit?t Paderborn, kennt die Folgen von ?Energiearmut“ genau und wei?, welche Gebiete besonders betroffen sind: ?Den überwiegend l?ndlichen Gemeinschaften in Ostafrika mangelt es bis heute an einer unterbrechungsfreien Energieversorgung“, erkl?rt Krauter und gibt zu bedenken, dass sich dieser Umstand unmittelbar auf die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort auswirke. Nicht nur Einzelhaushalte seien betroffen, sondern insbesondere auch Schulen und Krankenh?user. ?Kein Stromanschluss bedeutet, dass Schulkinder abends nicht mehr lernen, dass die Menschen keine wettbewerbsf?higen Unternehmen führen und wichtige Medikamente nicht gekühlt werden k?nnen“, resümiert der Paderborner Wissenschaftler.

Lokale, nachhaltige und intelligente L?sungen

Ziel des jüngst gestarteten internationalen Projekts ist es, neue M?glichkeiten der Elektrifizierung von abgelegenen Regionen in Ostafrika zu erschlie?en. Krauter erkl?rt: ?Wir entwickeln moderne Mini-Stromnetze. Dabei sollen kleine, voneinander getrennte Stromnetze, sogenannte ?Microgrids?, jeweils ein r?umlich begrenztes Gebiet wie eine Nachbarschaft oder einen Krankenhauskomplex mit Energie versorgen.“ Jedes dieser Mikronetze verfüge dabei über eigene Energiequellen und Versorgungsoptionen, beispielweise Solaranlagen und lokale Speicher. Der Vorteil solcher Inselnetze: Da nicht ein einziges gro?es Kraftwerk den Strom zu den Verbraucher*innen liefert, k?nnen sich St?rungen auch nicht über ein gro?es ?bertragungsnetz ausbreiten. Lokale Netze erm?glichen daher eine stabile, unterbrechungsfreie Versorgung mit Energie. ?Denn auch dort, wo Strom eigentlich zur Verfügung steht, gibt es immer wieder massive Energieengp?sse. Stromausf?lle legen regelm??ig die Versorgung ganzer St?dte lahm“, schildert Krauter das afrikanische Energiedilemma. Zu einem sp?teren Zeitpunkt k?nnten diese Microgrids jedoch in das Hauptnetz einer Stadt oder einer Region integriert werden.

Um alle verfügbaren Ressourcen m?glichst effizient zu managen und den Strom dorthin zu verteilen, wo er gebraucht wird oder gespeichert werden kann, muss das Stromnetz in hohem Ma?e flexibel sein. ?Intelligente Stromnetze, sogenannte ?Smart-Grids?, verbinden die verschiedenen Akteure des Energiesystems auch kommunikativ. Der Informationsaustausch innerhalb der Netze erm?glicht es, den Stromfluss dynamisch zu steuern und so Erzeugung, Verbrauch und Speicherung zu jedem Zeitpunkt pr?zise aufeinander abzustimmen“, erl?utert der Paderborner Elektrotechnik-Professor. So k?nne beispielsweise Energie aus einer Photovoltaik-Anlage automatisch und je nach Bedarf über Batterien auf die verschiedenen Endverbraucher*innen verteilt werden. Für die Zukunft plant das internationale Projektteam, auf diese Weise nicht nur l?ndliche Gebiete mit Strom zu versorgen, sondern auch gro?e nationale Stromnetze erheblich zu stabilisieren.

Auf die Bedürfnisse und Kapazit?ten der ostafrikanischen Gesellschaft abgestimmt

Damit die Menschen vor Ort die neuen Technologien auch dauerhaft und selbstst?ndig nutzen k?nnen, bildet der Wissenstransfer einen zentralen Bestandteil des neuen Projekts. Afrikanische Fachleute und Bildungsinstitutionen sollen direkt von den in Paderborn entwickelten technischen L?sungen profitieren, aber auch dazu beitragen, dass diese Technologien den Gegebenheiten vor Ort gerecht werden. Das Team um Krauter arbeitet deshalb Schulungskonzepte aus, die offen für lokale Partner*innen und Nutzer*innen sind. So sollen etwa in Graduiertenkollegs und auch in einfachen Praktika Grundlagenkenntnisse vermittelt werden: ?In unserem Projekt orientieren sich Forschung und Ausbildung gezielt an den Bedürfnissen der afrikanischen Gesellschaften, anstatt sich an den Hightech-Ma?st?ben der Industriel?nder auszurichten“, hebt Krauter hervor.

Interdisziplin?re Arbeit für innovative Ans?tze

Um zukunftsorientierte und nachhaltige L?sungen zu finden, bringen sowohl erfahrene Forscher*innen als auch Nachwuchswissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen sowie deutschen und afrikanischen Institutionen ihre Expertise in das Projekt ein. Neben Wissenschaftler*innen der Fachgebiete ?Leistungselektronik und Elektrische Antriebstechnik“, ?Sensorik“ und ?Technikdidaktik“ arbeiten auch Kultur- und Wirtschaftswissenschaftler*innen der Universit?t Paderborn an der innovativen L?sung zur Energieversorgung. Denn nicht nur technische Aspekte seien für den Erfolg ma?geblich, sondern auch ein passgenaues Bildungskonzept, betont die Paderborner Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Freitag: ?Eine ?Bildung für nachhaltige Entwicklung? ist unser Ma?stab. Durch diesen Ansatz sollen Menschen dazu bef?higt werden, die Zukunft aktiv, eigenverantwortlich und verantwortungsbewusst zu gestalten. Gemeinsam mit unseren afrikanischen Partner*innen nehmen wir daher auch die Zusammenh?nge von Bildung und Geschlecht, beispielsweise bei Fragen der Chancengerechtigkeit und Konfliktpotenziale hinsichtlich ?kologischer, ?konomischer und sozialer Herausforderungen in den Blick.“

An dem Projekt sind au?erdem Universit?ten in Südafrika, Uganda und Tansania beteiligt, ebenso wie afrikanische Energieerzeugungs- und Energieversorgungsunternehmen als Industriepartner, das ECOLOG-Institut für sozial-?kologische Forschung und Bildung, das Photovoltaik-Institut Berlin und Asantys Systems. Auch wenn der Forschungsschwerpunkt auf Ostafrika liege, sollen die Ans?tze und Ergebnisse künftig weltweit anwendbar sein, betont Krauter.

Die Universit?t Paderborn beteiligt sich mit verschiedenen Aktionen an der ?Europ?ischen Nachhaltigkeitswoche“. Erfahren 365足彩投注_365体育投注@ mehr unter go.upb.de/enw2020  und #UPB4ausDenken.

Foto (Wits-University, Shivan Parusnath): Wildwuchs: Diese n?chtliche Drohnenaufnahme zeigt, wie privat installierte Stromnetze l?ndliche Gebiete im südlichen Afrika mit Energie versorgen. Die improvisierten Kabelnetze brechen jedoch immer wieder pl?tzlich zusammen. Krankenh?user, Schulen und Unternehmen ben?tigen eine stabile und verl?ssliche Energieversorgung, weshalb das internationale Forschungsprojekt der Universit?t Paderborn eine wichtige gesamtgesellschaftliche Bedeutung besitzt.
Foto (Universit?t Paderborn): Prof. Dr.-Ing. Stefan Krauter ist Professor und Lehrstuhlinhaber für Elektrische Energietechnik ? Nachhaltige Energiekonzepte an der Universit?t Paderborn.
Foto (Universit?t Paderborn, Stefan Krauter): v. l.: Die beteiligten Wissenschaftler*innen beim Kick-Off-Meeting im August: Prof. Dr. Burkhard Hehenkamp (Leiter des Lehrstuhls für Institutionen?konomik und Wirtschaftspolitik), Prof. Dr. Ulrich Hilleringmann (Leiter des Fachgebiets Sensorik), Dr.-Ing. Oliver Wallscheid (Leiter der Fachgruppe Elektrische Antriebstechnik & Intelligente Energiesysteme), Dipl.-Pol. Tobias Klaus (ECOLOG-Institut für sozial-?kologische Forschung und Bildung GmbH), Prof. Dr. Christine Freitag (Leiterin der AG Historisch-systematische und vergleichende Erziehungswissenschaft), Prof. Dr.-Ing. Stefan Krauter (Leiter des Lehrstuhls für Elektrische Energietechnik – Nachhaltige Energiekonzepte) und Prof. Dr. Katrin Temmen (Leiterin des Fachgebiets Technikdidaktik).

Kontakt

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Prof. Dr.-Ing. habil. Stefan Krauter

Elektrische Energietechnik (EET)

Nachhaltige Energiekonzepte für die Energiewende.

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