Gegen alte Gewohnheiten – Prof. Dr. René Fahr über Wirtschaft und Wachstum in einer nachhaltigen Welt

Wie k?nnen wir nachhaltiger leben und die Zukunft auf unserem Planeten gemeinsam gestalten? Darum dreht sich vom 20. bis 26. September die sechste ?Europ?ische Nachhaltigkeitswoche“ (ENW). Beim Thema nachhaltiges Leben ist auch die Wissenschaft gefragt. In einem Special zur ENW stellen wir immer dienstags spannende Forschungsprojekte von Paderborner Forscher*innen vor, die sich mit einem Nachhaltigkeitsthema besch?ftigen.

Marktwirtschaft, so bekr?ftigen es ?konom*innen, ist auf Wachstum angewiesen. Mehr Geld, mehr Investitionen, mehr Konsum. Die Erde aber hat ihre Grenzen. Wie k?nnen wir wirtschaftlich wachsen und zugleich unsere Umwelt schonen? Was wir brauchen, ist ein Blick auf das gro?e Ganze und gr??ere Zeitzusammenh?nge, sagt Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. René Fahr von der Universit?t Paderborn.

?Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen k?nnen“ – Diese Worte sind im sogenannten Bruntland-Bericht ?Our Common Future“ zu lesen. Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen hat diesen Bericht im Jahr 1987 ver?ffentlicht. Auch wenn es keine ?konomische Definition von Nachhaltigkeit im engeren Sinne gibt, so Fahr, wird in entsprechenden Diskursen heute oft auf diese Auffassung verwiesen: ?Auf der Grundlage des ?konomischen Pr?ferenz- und Nutzenkonzeptes bedeutet es das, was allgemein unter ?schwacher Nachhaltigkeit“ verstanden wird: Ressourcen k?nnen ersetzt werden, solange die Pr?ferenzen künftiger Generationen befriedigt werden.“ Doch das Konzept bringt laut Fahr auch eine Gefahr mit sich. Allzu leichtfertig k?nnte die Gesellschaft auf den technischen Fortschritt vertrauen und dabei wertvolle Ressourcen aufbrauchen.

Unendliches Wachstum, endliche Ressourcen

Wie stark ist also Nachhaltigkeit in unserem wirtschaftlichen Denken verankert? ?In der volkswirtschaftlichen Lehre ist Nachhaltigkeit bis heute kein Thema“, erkl?rt der Paderborner Wirtschaftswissenschaftler. So ginge die makro?konomische Wachstumstheorie weiterhin von der M?glichkeit eines unendlichen Wachstums aus, das keine ?planetaren Grenzen“ kenne. Anders s?he es in Teilen der Betriebswirtschaft aus: ?Die Orientierung hin zur Nachhaltigkeit kam hier durch die Besinnung auf die Verantwortung des Unternehmens mit den Ans?tzen zur Corporate Social Responsibility (CSR). Viele Unternehmen wurden vor allem durch Initiativen zu nachhaltigen Investments wachgerüttelt. Wenn die Anlagerichtlinien eines riesigen Investors, wie die des norwegischen Staatsfonds, ethische Investments vorsehen, dann hat das einen starken Einfluss auf das Denken und Handeln der Konzernvorst?nde.“

Umdenken in gr??eren Zusammenh?ngen

Ans?tze zu nachhaltigerem Wirtschaften setzen allerdings auch ein grunds?tzliches Umdenken voraus – und da sind sich ?konomen und Konsumenten durchaus ?hnlich, wie Fahr feststellt: ?Es gibt da eine gewisse Tr?gheit, liebgewonnene Gewohnheiten zu ?ndern. ?konomen müssten grunds?tzliche Annahmen infrage stellen, um Nachhaltigkeit allgemein in ?konomischen Modellen zu berücksichtigen.“ Zudem sei ?konomische Theorie heute vor allem durch mikro?konomische Ans?tze gepr?gt, die sich mit individuellen ?konomischen Entscheidungen auf Teilm?rkten besch?ftigten. ?Ans?tze wie diese sind meist statisch oder berücksichtigen nur zwei bis drei Perioden. Letzteres liegt daran, dass die mathematische Komplexit?t sonst enorm zunehmen würde. Wenn man sich aber nicht das gro?e Ganze anschaut und keine gro?en Zeitzusammenh?nge analysiert, wird Nachhaltigkeit keinen Platz in der ?konomischen Analyse finden. Es fehlen die Vision?re aus den eigenen Reihen der Wirtschaftswissenschaften und der Konzerne.“

Einen wichtigen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit sieht der Wirtschaftswissenschaftler in der Realisierung eines Lieferkettengesetzes: ?Auch, wenn es hier prim?r um die Sicherstellung der Menschenrechte entlang der vorgelagerten Lieferkette geht, also zu den Lieferanten, würde so ein Gesetz Unternehmen dazu bewegen, ihre Lieferkette nachhaltiger auszugestalten. Aber auch zur nachgelagerten Lieferkette, die zum Kunden geht, bedarf es strengerer Regelungen. So hat etwa das bisherige Gesetz zur Rücknahme von Elektronikger?ten die gewünschten Sammelziele verfehlt. Hier ist auch bereits eine Novelle des Gesetzes in Vorbereitung. Die strengeren Regeln bewegen die Hersteller zur Herstellung von langlebigeren und reparaturf?higen Produkten.“

Ideenwandel gegen Klimawandel

Wie erfolgreich hingegen nachhaltige Konzepte in Gesch?ftsmodelle integriert werden k?nnen, zeige sich vor allem in der heutigen Start-up-Kultur. Fahr: ?Man kann es ein wenig mit Biolebensmittell?den vergleichen, da sie aufzeigen, was m?glich ist. Der Umbruch bei der nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln kommt jedoch erst, wenn die gro?en Superm?rkte ihr Sortiment umstellen, da der Hebel dort eben deutlich gr??er ist.“ Der Wille zum Umdenken sei allerdings da – zumindest bei der jüngeren Bev?lkerung. So habe auch die ?Fridays for Future“-Bewegung dazu beigetragen, dass insbesondere Entscheidungstr?ger das existenzielle Problem dahinter erkennen würden: ?Der Klimawandel ist kein Modethema, über das sich nur Wissenschaftler ereifern. Er beeinflusst unser künftiges Leben und Wirtschaften in einem erheblichen Ausma?.“

Die Universit?t Paderborn beteiligt sich mit verschiedenen Aktionen an der ?Europ?ischen Nachhaltigkeitswoche“. Erfahren 365足彩投注_365体育投注@ mehr unter go.upb.de/enw2020 und #UPB4ausDenken.

Foto (Universit?t Paderborn): Damit Nachhaltigkeit in der ?konomischen Analyse einen Platz finden kann, muss laut Prof. Dr. René Fahr das gro?e Ganze betrachtet und in gr??eren Zeitzusammenh?ngen gedacht werden.
Foto (Universit?t Paderborn): Prof. Dr. René Fahr, Fakult?t für Wirtschaftswissenschaften.

Kontakt

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Prof. Dr. René Fahr

Betriebswirtschaftslehre, insb. Corporate Governance / Heinz Nixdorf Institut

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